Interview mit Earl Sixteen   

Im August erscheint das neue Album von Earl Sixteen: “FEEL THE FIRE”. Am 06. Juli war der Roots Reggae Sänger in Hamburg und wir konnten im Marriot-Hotel ein Interview mit ihm machen, welches wir komplett übersetzt haben. Das Orginal wird demnächst hier zu hören sein. Denn kein Interview ist so real wie ein RealAudio.

Die Platten-Kritik zum Album findet Ihr unter unserer neuen Rubrik RECORDS

nuff-vibez: Wie und wann bist Du ins Musikgeschäft eingestiegen?

Earl 16: Wie Ihr wisst ist Jamaica eine sehr kleine Insel und ich lebte immer in der Nähe einer Dancehall,  wo auch viele Konzerte stattfanden. Der Club hies “Sombrero”, der “Sombrero Night Club”. Jeden Freitag waren da Leute wie Derrick Harriott, Big Youth - eine Menge Artists kamen und machten hier ihre Talentshows mit den jüngeren Artists, die hier versuchten ihre Talente zu zeigen. So, als ich jünger war, machte ich es auch so, schlich mich in den Nächten herum, ging los um mir all diese Typen anzuhören, Dennis Brown, wisst Ihr,  all diese Typen. Im wirklich jungem Alter versuchte ich noch Musik zu machen, nur um viel Lärm zu machen. Ich band mich mehr ein und besuchte eine dieser Talent-Wettbewerbe. Ich war erfolgreich. Und ein paar Wochen später, ich ging immer noch zur Schule, entschlossen wir uns eine Gruppe zu gründen. Wir waren eine kleine Gruppe, zu viert, wir haben in Schulen gesungen, machten nur “school-stuff-singing” im Auditorium. Wir machten eine Show mit Boris Gardener, Burning Spear war auch da. Wisst ihr, die orginalen drei Burning Spear, mit Winston Rodney, Tayron Taylor. Ein paar wirklich grosse Artists waren bei der Show. Wir machten eine gute Show! Und Boris Gardener sagte mir, dass er für seine Band einen Sänger sucht. Zu dieser Zeit war ich gerade 15, und all diese Typen waren ziemlich gross, älter als ich. Meine Eltern meinten: “you can´t join a band, cause you still have to go to school, you have to fineshed your schoolwork” and stuff... Aber, das Geld war gut und ich dachte mir: “Look, I get my own place”. So verliess ich schon sehr früh mein Zuhause. Und startete quer durch das Land zu touren. Mit Boris Gardener. Er war eingeladen, um auf einen Track von Lee Perry, mit dem Namen “Punky Reggae Party”, zu spielen. Er stellte mich Lee Perry vor und sagte, dies ist mein Sänger. Ich begann mit Lee Perry rumzuhängen und wir machten ein paar Songs. Ich machte mit ihm den Song “Freedom”. Yeah, ich begann gerade für Studio One, Mikey Dread on the controls und vielen verschiedenen Produzenten zu singen. Von da an verliess ich die Schule und alles, und machte “music straight up”!

nuff-vibez: Wie war die Arbeit bei Lee Perry´s Black Ark Studio?

Earl 16: Perry war zum Augenblick einer der Genies. Er hatte sein Studio hinterm Haus. Und es war sowas wie eine Familie. Eine menge Leute. Wir spielten Tischtennis, hingen herum, kochten Essen, machten gute Musik und rauchten, tranken. Doch langsam begann alles sehr Erfolgreich zu werden. Perry hatte seinen ersten Millionen-Seller: “Police and thieves”. Auf einmal kamen Leute aus der ganzen Welt, Journalisten, und..., so viele Leute aus anderen Ländern. Bob Marley wurde auch berühmt, und so blieb für uns nicht mehr viel Platz. Und ich startete gerade bei Studio One rumzuhängen. Aber Perry war, und ist es noch immer, einer der besten Produzenten, wisst Ihr!

nuff-vibez: Hast Du noch Kontakt zu Perry, seitdem er in die Schweiz gezogen ist?

Earl 16: Ja, ich machte 97 eine Show mit ihm auf dem Irie-Festival in Dortmund. “We still keep in touch”. Und manchmal arbeiten wir zusammen auf der selben Bühne. Er arbeitet mit Mad Professor und ich manchmal auch.

nuff-vibez: Und Studio One?

Earl 16: Coxsone Dodd´s Studio One war sowas wie die Universität der Reggae Musik. Du musstes mit Studio One arbeiten. Alle Artists durchliefen Studio One. Für mich war´s sehr cool. Er lud alles in die USA, zu seinem Studio, ein. Eine sehr gefährliche Gegend. Aber Jamaica ist der rauheste Platz auf der Welt. Speziell Kingston. Wenn Du in Jamaica gelebt hast, kannst Du überall leben.

nuff-vibez: Wo lebst Du jetzt?

Earl 16: Jetzt lebe ich in U.K., weil ich nicht sehr glücklich bin in Jamaica. Ich verlor hier viele Freunde. Freunde wurden erschossen. Hugh Mundell wurde in Jamaica getötet. Ich wartete auf einen engen Freund mit´nem Motorrad, und er hatte einen Unfall mit einem Bus. Er wurde mit seinem Motorrad zerquetscht und starb. Und ich bin froh in U.K. zu leben und komme auch manchmal zurück, um was für mich aufzufangen und einige gute Dinge klar zu kriegen. Das ist sehr wichtig für mich.

nuff-vibez: Kannst Du uns was über Dein neues Album erzählen?

Earl 16: Gut, mein neues Album “FEEL THE FIRE”, ist mein zweites auf Downbeat. Ich versuche Reggae mit Dance-Music zu verbinden, mit moderneren Equipment. Normal ist Reggae reiner Acoustic-Stuff mit Drums, Guitars und Bass, Horns und so. Aber ich denke es ist wichtig, für Artists wie mich, aus der Oldschool-Richtung, die moderne Technologie mit einzubeziehen. So, “FEEL THE FIRE” ist für mich eine neue Dimension, die ich versuche zu erobern. Hier sind ein paar Tracks drauf, die ich geändert habe, von Songs die ich in den 70igern brachte. Das sind einfach Re-Recordings mit neuem Equipment. “CHEER UP” zum Beispiel ist ein Song von Studio One, mit Johnny Osbourne und Jennifer Lara, aus den frühen 80igern. Ich denke, es ist gut zu versuchen, Songs die in den 70- u. 80iger Jahren gehört wurden, aufzufrischen. Da sind eine menge Leute, die Reggae-Music lieben, weltweit. Das Album “FEEL THE FIRE” kann alle miteinander verbinden. “Feel the fire, fire is de ting now”. Zur Zeit reden alle in Jamaica von “burn the fire”, “fire burn”, wisst Ihr! Aber sie merken nicht, das Feuer auch reinigen kann. Ich versuche mit dem neuen Album das 21. Jahrhundert zu erobern. Mit “positive vibes, you know - keep it hot”.

nuff-vibez: Was denkst Du über die heutige Dancehall-Music und deren Lyrics?

Earl 16: Man vermisst das kulturelle Element in der modernen Reggae-Music, die zur Zeit aus Jamaica kommt. Die neue Generation der Jugendlichen hat einen anderen Respekt bekommen. Regierung, Lifestyle, Wirtschaft, all diese Dinge werden auf Schallplatten gebracht. Du hörst sie nicht im Radio. Die Platten landen in den Record-Shops und werden in der Dancehall gespielt, aber nicht im Radio. Aber die Leute kaufen die Platten und der Stil hat sich in der ganzen Welt etabliert. Ich meine, dies ist nur ein Segment von Artists in Jamaica. Das sind D.J´s, Typen die über Riddims rappen, und versuchen ein schnelles Ding zu bringen. Aber das kulturelle Element der Reggae-Music ist noch immer vorhanden. Leute wie Beres Hammond, Third World, Ziggy Marley, Ziggy Marley´s neues Album ist wirklich “concious”, alle sind noch immer auf den Musikbühnen der Welt. Für mich liegt es am Hip Hop auf Jamaica, die ganze Rap-Music, der Einfluss Amerikas auf die Karibik. Ich meine, Lady Saw, sie ist eine wirklich freizügige Künstlerin, wisst Ihr was ich meine? Du kannst lachen, aber man kann die Texte nicht den Jüngsten vorspielen. Deshalb kaufen viele Eltern auch keine Platten von ihr. Beim Oldschool-Reggae ist es nicht so. Du musst Musik machen, die man immer hören kann, feel the good vibes, einen schönen Spliff rauchen, den Track anhören und so.

nuff-vibez: Es gibt nicht mehr soviele langlebige Hit´s. Die Zeiten, in der sich Songs in den Charts halten, werden immer kürzer.

Earl 16: Ja, aber Artists wie Sugar Minott, Black Uhuru und all diese Leute sind noch immer überall vertreten, nur sind sie nicht mehr so hungrig. Viele sind reich und erfolgreich. So ist das Leben. Aber es gibt viele Neuauflagen alter Songs, wie auf dem Blood & Fire Label, die haben eine menge guten Stuff, oder Greensleeves. Viele gute alte Reggae-Songs kommen zurück zum Mainstream und werden schlechte Vibes aus der Reggae-Scene drängen.

nuff-vibez: Aber auch im Dancehall gibt es Leute, wie zum Beispiel Morgan Heritage, mit Concious-Lyrics.

Earl 16: Ja, es gibt Morgan Heritage, Luciano oder Bushman. Da sind ein paar Jungs die es versuchen. Aber ohne einen Vertrag bei einem Major-Label ist es schwierig seine Songs rauszubringen, und die grossen Major-Labels entscheiden sich eher für Leute wie Beenie Man oder Bounty Killer. Ich weiss nicht was sie versuchen. Aber ich denke, so lange die Artists noch lachen können und die Leute was zum Überleben haben, ist es auch gut.

nuff-vibez: Viele Künstler begannen ihre Karriere, in dem sie bei verschieden Soundsystem sangen.

Earl 16: Ich sang bei Stur-grav (Stereograph), King Stur-grav, das Soundsystem von U Roy. Ich machte viele Dubplates und Dances mit Stur-grav. Oder früher bei Killamanjaro, lange Zeit vor Ricky Trooper. Ich machte was mit Charly Chaplin. Sugar Minott hatte einen Sound namens Youthman Promotion. Sounds sind ein guter Ort um praktische Erfahrungen zu sammeln. Manchmal war es auch so etwas wie eine Talent-Show.

v.l. 45 K.O.-Crew (Ingmar, Jay-B), Earl 16, nuff-vibez-crew (Crucial-B, Alex)